Wolfgang Hawly

Schweizer Notenbank treibt Finanzhäuser in den Ruin

Der „Schwarze Donnerstag“ fordert immer mehr Opfer. Viele Banken, wie etwa die polnische PKO, leiden nach dem heftigen Kursrutsch. Einige Finanzhäuser sind sogar vom Markt verschwunden.

Von Anja Ettel,

Einen Tag nach dem Schweizer Währungsschock werden an den weltweiten Finanzmärkten langsam die Folgen sichtbar: Die Verwüstungen gehen weit über die Schweizer und selbst die europäischen Börsen hinaus. Vor allem der tiefe und abrupte Fall des Euro, der am Donnerstag binnen Minuten um knapp 30 Prozent abstürzte, hat viele Finanzhäuser in erhebliche Bedrängnis gebracht oder sogar in die Pleite getrieben.

Der in Neuseeland beheimatete globale Devisenhändler Global Brokers NZ, der unter dieser Marke seine Tradingplattform Excel Markets betreibt, musste sein Geschäft aufgrund der hohen Verluste einstellen.

Auch der britische Broker Alpari, der unter anderem auch in Deutschland aktiv war, musste sich am Freitag vom Markt verabschieden. Andere Konkurrenten, etwa der größte US-Devisenbroker für Privatkunden, FXCM, sowie die britische IG Group vermeldeten ebenfalls horrende Verluste auf den Kundenkonten, die im Zweifelsfalle von den Brokerhäusern selbst getragen werden müssen und damit im schlimmsten Fall das Eigenkapital aufzehren.

Auch Hedgefonds waren betroffen. Der John Hancock Absolute Return Währungsfonds verbuchte mit einem Minus von fast neun Prozent den größten Tagesverlust seiner Geschichte. Aber auch klassische Bankhäuser sehen sich mit enormen Verlusten konfrontiert. Insbesondere polnische Banken, die viele Kredite in Franken ausgegeben haben, könnten vor hohen Abschreibungen stehen. Institute wie die Bank PKO, der größte Darlehensgeber des Landes, erlitten an der Börse kräftige Verluste. Der Aktienkurs fiel auf den niedrigsten Wert seit Mai 2013.

Unterdessen erklärte der New Yorker Broker FXCM, der allein im vergangenen Quartal Devisenumsätze im Volumen von 1,4 Billionen Dollar abgewickelt hatte, in einer Mitteilung, dass seine Kunden „deutliche Verluste“ erlitten hätten. Das habe zu einem Minus von rund 225 Millionen Dollar geführt. Der Aktienkurs des Brokers stürzte am Freitag um 88 Prozent ab und musste vom Handel ausgesetzt werden.

Die Aktie der britischen IG Group verlor in den vergangenen zwei Tagen rund sechs Prozent. Das Brokerhaus aus London schätzt seine Belastungen bislang auf rund 30 Millionen Pfund. Auch die Papiere von Gain Capital und Interactive Brokers rauschten in die Tiefe.

Normales Sicherungssystem greift nicht mehr

Die Devisen-Broker geraten vor allem deshalb in Bedrängnis, weil sie im Falle von Verlusten ihrer Kunden das entstandene Minus aus eigenen Mitteln decken müssen. Hintergrund ist, dass sich die Broker normalerweise absichern. Werden bestimmte Kursmarken durchbrochen, erfolgt ein sogenannter „Margin call“ beim Kunden. Dieser muss dann entweder Geld nachschießen, oder aber die Position wird automatisch glattgestellt.

16.01.2015 00:00:00+1,90%0,9941 CHF

„Der Absturz gestern war dermaßen brutal, dass das normale System der Absicherung nicht mehr greifen konnte“, sagt ein Branchenkenner. Tatsächlich war der Euro-Wechselkurs nach der Abkoppelung des Franken wie ein Stein in die Tiefe gestürzt. Erst kurz vor der Parität, also 15 Prozent tiefer, konnten überhaupt wieder Kurse gestellt werden.

„Normalerweise sind die Absicherungsgrenzen eng gesteckt. Beim Euro-Franken-Wechselkurs lag die erste bei 1,1990. Dummerweise konnte inmitten der Panik aber überhaupt kein Kurs festgestellt werden, weil alle nur noch raus wollten. Selbst jetzt steht noch nicht fest, wo eigentlich der erste Kurs wieder zustande kam“, so der Experte.

Wetten auf Franken waren enorm beliebt

Angesichts der Tatsache, dass die Investoren teilweise mit einem Hebel von 400 arbeiten – also jeder Gewinn und Verlust sich um diesen Wert vervielfacht – fielen auf einen Schlag monströse Verluste an, bei denen bis zur Stunde in vielen Fällen ebenfalls nicht klar ist, wer sie tragen muss.

Politik der Schweizer Notenbank
  • Euro-Bindung
  • Begründung

Viele Verträge sehen für solche Krisenfälle eine Nachschusspflicht seitens der Kunden vor. In Deutschland allerdings ist eine solche Klausel in den Verträgen nicht enthalten. Anderswo ist angesichts der immensen Verluste nicht einmal klar, ob die Kunden überhaupt in der Lage sind, ihrer Nachschusspflicht nachzukommen.

Genau das wird nun dem neuseeländischen Broker Global Brokers NZ zum Verhängnis. In einer dramatischen Mitteilung an die Kunden teilte Direktor David Johnson mit, dass sein Unternehmen die regulatorischen Anforderungen an das Eigenkapital nicht länger erfüllen könne und deshalb das Geschäft einstellen müsse.

Der Handel mit Franken sei dermaßen chaotisch gewesen, dass über Stunden hinweg niemand habe Kurse stellen können. „Das ganze Ausmaß der Schäden kommt jetzt erst ans Tageslicht. Als Management und Anteilseigner möchten wir unseren Kunden unser tiefes Bedauern kundtun und uns für die verheerende Wendung, die die Ereignisse genommen haben, entschuldigen.“

Die Wetten auf den Schweizer Franken waren bei den Kunden in den vergangenen drei Jahren extrem beliebt. Das Geschäft galt als sichere Wette, da die Schweizer Notenbank den Euro-Kurs nach unten abgesichert hatte. Jeder noch so kleine Gewinn der Gemeinschaftswährung wurde dank der immensen Hebel zum guten Geschäft.

Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIS wurden täglich Franken-Transaktionen im Volumen von umgerechnet 275 Milliarden Dollar getätigt. Das erklärt jetzt auch die dramatischen Folgen des SNB-Schocks.

„Ich wäre überrascht, wenn es nicht noch mehr Opfer geben würde“, sagte Nick Parsons, Leiter der Analyse Europa bei der National Australia Bank in London, der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Das war eine 180-Grad-Wendung der SNB. Die Leute fühlen sich verletzt und betrogen.“