Wolfgang Hawly

8 gute Gründe, genau jetzt aus Deutschland auszuwandern

 

Es ist Adventszeit, und in Deutschland fliegen die Fetzen.

Die Pegida-Demos haben eine große Debatte darüber ausgelöst, wie tolerant Deutschland tatsächlich ist. Es ist nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass die gesellschaftlichen Risse ganz offen zutage treten.

Die Bundesrepublik ist im Dezember 2014 ein zutiefst gespaltenes Land. Manche wundern sich darüber. Andere denken daran, die Koffer zu packen.

Nicht nur die Zahl der Zuwanderer erreicht immer neue Höhen, auch die Zahl der Auswanderer: Im Jahr 2013 verließen 789.000 Menschen Deutschland, so viele wie seit 21 Jahren nicht mehr. Darunter sind viele Ausländer, die zurück in ihre Heimat gingen. Aber auch mehr als 130.000 deutsche Staatsbürger.

Die Huffington Post nennt acht gute Gründe, genau jetzt aus Deutschland fortzuziehen.

1. Das Meinungsklima in Deutschland radikalisiert sich

Im Jahr 2014 gab es auffallend viele hitzig geführte Debatten. Angefangen bei der Diskussion um die Maidan-Proteste bis hin zum Streit um Pegida. Dabei werden oft genug Grenzen verletzt. Etwa, wenn eine Reporterin in Dresden von Pegida-Demonstranten als „linksintellektuelle Prostituierte“ beschimpft wird oder sich Journalisten nach kritischen Berichten mit Morddrohungen konfrontiert sehen.

Das alles ist keine Mediendiskussion. Es ist vielleicht nur das sichtbarste Zeichen dafür, dass sich gesellschaftliche Milieus voneinander entfremden. Wir reden nicht mehr miteinander, wir schreien uns an. Und das hat nur bedingt was mit dem „Internet“ zu tun. Dafür sind vor allem soziale Ursachen verantwortlich.

2. Deutschland fehlt es an Optimismus

Zum Beispiel fehlt es Deutschland derzeit an gesellschaftlichem Optimismus. Es mag sein, dass die Mehrheit der Menschen für das kommende Jahr im Privaten zuversichtlich ist. Wohin dieses Land aber steuert, weiß derzeit niemand so recht.

Auf politischer Ebene hat das damit zu tun, dass die CDU als größte Regierungspartei völlig ausgebrannt ist. Den Christdemokraten mangelt es nach neun Regierungsjahren an neuen Ideen und nicht zuletzt an einer Vision für die Zukunft dieses Landes. Da war Gerhard Schröder mit seiner Agenda-Politik vor zehn Jahren weiter.

Angela Merkels Nicht-Wahlkämpfe in den Jahren 2009 und 2013 haben dazu beigetragen, dass auch keine Diskussion um neue Konzepte aufkommen konnte. Wir reden nicht darüber, wie eine echte Integrationspolitik aussehen könnte. Wir haben keine Ahnung, wie sich Deutschland außenpolitisch verorten könnte. Und wir schließen so lange die Augen vor der drohenden Rentenkatastrophe, bis sie wirklich passiert.

Die Union ist derzeit das Bayern München der deutschen Politik. So lange der Erfolg stimmt, jubeln auch die Fans.

Das Bedauerliche dabei ist, dass in diesem anti-innovativen Klima selbst jene Projekte scheitern, die tatsächlich dazu geeignet wären, Impulse zu geben. Zum Beispiel die Energiewende, Deutschlands größtes Zukunftsprojekt, das derzeit am Kleingeist von Union und SPD zu verkümmern droht.

3. Sicherheit ist den Deutschen wichtiger als das Wagnis

Im Sommer hatte eine Umfrage ergeben, dass sich junge Deutsche nichts sehnlicher Wünschen, als in den Staatsdienst zu kommen. Der öffentliche Dienst ist mittlerweile mit Abstand der beliebteste Arbeitgeber. Er verspricht Sicherheit in Form von Sozialleistungen, Kündigungsschutz und Pensionen und steht damit im Wettbewerb mit den immer unsicherer werdenden Beschäftigungsverhältnissen in der „freien Wirtschaft“ gut da.

Doch auch die früheren „Traumberufe“, in denen sich Menschen selbstverwirklichen konnten, verlieren gegenüber dem Staatsdienst an Bedeutung. In Deutschland wollen die jungen Leute eben derzeit lieber verbeamtet werden, als die Welt durch ihre Kunst oder ihre unternehmerische Schaffenskraft zu verändern.

Ganz zu schweigen von der Wissenschaft. Dort ist ein ganzer Apparat derzeit damit beschäftigt, die besten jungen Talente zu vergraulen. Wer Ideen hat, verwirklich sie besser im Ausland.

4. Das Sicherheitsbedürfnis spricht für tief sitzende Ängste

Es ist kein Zufall, dass die sichere Pension vielen jungen Leuten heute wichtiger ist als die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Dahinter steckt eine grundsätzliche Zukunftsangst.

Vielen jungen Deutschen ist unklar, wovon sie einst im Alter ihren Lebensunterhalt bezahlen sollen. Auch die Reallöhne stagnieren seit mehr als 15 Jahren. Wer heute 35 ist, hat mit großer Wahrscheinlichkeit niemals eine Zeit miterlebt, in der die meisten Menschen davon überzeugt waren, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen wird.

Leider tut die Politik zu wenig, um diese Ängste aufzufangen. Und beginnen sie umgekehrt, die Politik zu dominieren.

5. Der wachsende Antisemitismus ist unerträglich

Im Sommer, bei den Protesten gegen den Krieg in Gaza, zeigte sich der neue Antisemitismus in Deutschland ganz offen und unverstellt.

Die berechtigte Kritik an der Politik Israels glitt viel zu häufig in eine pauschale Diffamierung „der Israelis“ oder „der Juden“ ab. Die Beschimpfung als „Kindermörder“ war da noch eine der harmloseren Varianten. Ein grüner Bundestagsabgeordneter wurde auf einer Pro-Israel-Demo in Hannover sogar tätlich angegriffen.

Es ist kein gutes Zeichen, dass jüdische Deutsche auch deshalb ans Auswandern denken.
6. Der um sich greifende Islamhass auch

Es ist unfassbar, wie populär es wieder in Deutschland geworden ist, die Angehörigen einer Religionsgruppe pauschal in Misskredit zu bringen.

Obwohl etwa vier Millionen Menschen in Deutschland muslimischen Glaubens sind, glauben mehr als 50 Prozent der Bevölkerung, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Insgesamt 49 Prozent fürchten sich mehr oder weniger vor der „Islamisierung des Abendlandes“ und ebenso viele sehen den Islam als Bedrohung.

Dass sich viele Millionen Deutsche nun pauschal auf eine Religion einschießen, weckt dunkle Erinnerungen. Womöglich ist Deutschland vielleicht doch kein so weltoffenes Land, wie alle noch 2006 nach dem „Sommermärchen“ während der Fußball-WM glaubten.

Viele junge Türken haben das verstanden. Sie verlassen Deutschland. Meist sind es die mit der besten Ausbildung.

7. Angst ist die stärkste Konstante in der Politik, nicht Hoffnung

Seit Jahren schliddert Deutschland scheinbar von Krise zu Krise. Und selbst dann, wenn es der Wirtschaft des Landes relativ gut geht, ist von der „Krise“ um Deutschland herum die Rede. So wird im Jahr 2014 Politik verkauft. Und so werden Entscheidungen als „alternativlos“ vermarktet.

Angela Merkel ist auch deshalb so beliebt, weil sie vielen Deutschen als ideale Krisenbekämpferin erscheint. Als Rettung in der Not, als Anker in brausenden Meer. Dass die Hoffnung auf eine bessere Zukunft die stärkste Triebfeder für gesellschaftliche Veränderung ist, scheinen viele Deutsche längst vergessen zu haben.

8. Deutschland müffelt

Erinnert sich noch jemand an die Debatte um schreibende Arztsöhne, die Anfang des Jahres Schlagzeilen machte? Es ging damals um die Frage, ob Deutschlands Gegenwartsliteratur deshalb so langweilig ist, weil sie oftmals von Akademikerkindern gestaltet wird.

Es wurde viel gestritten: Etwa darüber, ob es überhaupt wichtig sei, welche soziale Herkunft ein Autor hat und welche Rolle dabei der Migrationshintergrund spielt. Seltener wurde der Feststellung widersprochen, dass die deutsche Gegenwartsliteratur langweilig sei.

Die beliebteste Musikrichtung derzeit? Schlager. Die beliebtesten Filme? Fantasy-Schinken, die ihre Zuseher in eine fremde, magische Welt entführen. Der kreuzbiedere Krimi ist der letzte gemeinsame Nenner in Sachen Fernsehen. Und wenn ein Tatort zu avantgardistisch gerät, wird er von der Community verspottet.

Der deutsche Zeitgeist im Jahr 2014 ist so aufregend wie ein Klinkerhaus in Großburgwedel. Und wenn er eine Gestalt hätte, dann genau diese.

Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die jungen Erwachsenen von heute der ersten Generation seit gut einem halben Jahrhundert angehören werden, gegen die es sich einst wieder zu rebellieren lohnt.

Bis es soweit ist, gibt es eine Alternative: auswandern.

Quelle. Huffington Post

 

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