Wolfgang Hawly

Der gläserne Steuerbürger wird Realität 

Christoph Bruns ist Fondsmanager und Inhaber der Fondsgesellschaft LOYS AG.

Ein Bankgeheimnis gibt es nicht mehr. Die 50 wirtschaftlich führenden Länder der Welt haben beschlossen, einen umfassenden Finanzdatenaustausch vorzunehmen. Den Behörden ist nunmehr national und international der Blick in die Konten und Steuerdaten aller Bürger eröffnet. Der gläserne Steuerbürger wird Realität.

Sofern diese umfassende Staatsaufsicht zu Steuergerechtigkeit führt, mag man sie begrüßen. Alle Erfahrung deutet aber darauf hin, dass die eigentliche Absicht der geschlossenen Vereinbarungen darin liegt, die Steuereinnahmen zu erhöhen. Jedenfalls ist es kein Zufall, dass der Ausdruck „aufkommensneutral“ in der Diskussion gar nicht auftaucht, obwohl ja zusätzliche Einnahmen von Steuersündern zur Entlastung der Steuerehrlichen verwendet werden könnten.

In Deutschland haben die getroffenen Abkommen zum Datenaustausch die erwartbaren Rituale in den politischen Lagern geweckt. Kaum war die Tinte unter den Datenaustauschverträgen trocken, da wurde bereits die Abschaffung der Abgeltungssteuer und die künftige Besteuerung von Kapitalerträgen nach den persönlichen Einkommensteuersatz gefordert, in der Hoffnung, die seit Jahren sprudelnden Steuerquellen noch üppigere Fontänen werfen zu sehen.

Für Zinsanleger ist diese Entwicklung unerfreulich, denn die Abgeltungssteuer dürfte regelmäßig unterhalb des jeweiligen persönlichen Steuersatzes liegen. Insofern ist das staatliche Scharren mit den Steuerhufen sehr verständlich. Die Obrigkeit weiß allzu genau, dass die Deutschen ihr Erspartes ganz überwiegend zinsgebunden anlegen, wenngleich viele dieser Anlagen steuerprivilegiert sind, wie zum Beispiel bei der klassischen Kapitallebensversicherung. Gedämpft werden die Hoffnungen des Staates jedoch durch die Dauernullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, so dass die Einnahmen aus der Besteuerung von Zinsanlagen zum Ingrimm des Finanzministers für längere Zeit mager ausfallen dürften.

Gänzlich anders liegt der Fall bei der Besteuerung von Kapitalerträgen aus Aktienanlagen. Im Gegensatz zu Zinsanlagen werden Dividendenausschüttungen steuerlich in Deutschland stark diskriminiert, indem Unternehmensgewinne zuerst im Unternehmen und im Falle der Ausschüttung zusätzlich beim Anleger zu versteuern sind. Diese Doppelbesteuerung ist unsystematisch, produziert unverhältnismäßig hohe Steuersätze und ist daher zutiefst ungerecht.

Mehr noch: Sie trägt im Ergebnis dazu bei, dass die Deutschen Aktienanlagen meiden und somit kaum an ihrer Wirtschaft beteiligt sind. Inzwischen ist in den letzten Jahren durch diese zum Teil staatlich gelenkte Fehlentwicklung ein Vermögensschaden von mehreren hundert Milliarden Euro entstanden. Mit Altersarmut wird unsere Gesellschaft langfristig diesen Schaden bezahlen müssen.

von Christoph Bruns

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