Wolfgang Hawly: Ungewöhnlicher Blogeintrag einer Netphener Anwaltskanzlei, unter dem Titel „Warum man besser seinen Führerschein nicht dabei hat …“

Eine Anwaltskanzlei sorgt für Gesprächsstoff im Netz: Die Juristen erklären, warum es Vorteile hat, bei einer Verkehrskontrolle keinen Führerschein dabei zu haben. Wie der skurrile Kniff funktioniert.

Mit einem ungewöhnlichen Blog-Eintrag macht zurzeit eine Anwaltskanzlei aus der Stadt Netphen in Nordrhein-Westfalen von sich Reden. Unter dem Titel „Warum man besser seinen Führerschein nicht dabei hat …“ erklären die Juristen auf der Homepage ihrer Kanzlei, warum es Vorteile haben kann, ohne Führerschein in eine Verkehrskontrolle zu geraten. Dazu schildern die Anwälte den Fall eines fiktiven Mandanten namens Willi Brause.

Brause ist ein vorbildlicher Bürger. Seinen Führerschein führt er stets mit sich. Er weiß genau: Erwischt mich die Polizei ohne Führerschein, gilt das als Ordnungswidrigkeit und kostet ein Verwarnungsgeld von zehn Euro. Kürzlich überprüfte die Polizei den Mann in einer Allgemeinen Verkehrskontrolle. Brause hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, seine Augen sind gerötet. Doch die Polizei vermutet etwas anderes: Drogen.

Vollkommen egal, ob Willi Brause nun unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten gefahren ist oder nicht – hätte er seinen Führerschein nicht mitgeführt, wäre er ihn vorläufig nicht losgeworden.

„Der Führerschein dient nur als Nachweis, dass Sie eine Fahrerlaubnis besitzen. Wenn Sie Ihren Führerschein nur verlegen, verlieren Sie nicht gleich Ihre Fahrerlaubnis. Es sei denn, Sie verlegen ihn bei der Polizei. Die kann Ihnen die Fahrerlaubnis entziehen, dann dürfen Sie nicht mehr fahren“, sagt Rechtsanwältin Katharina Batz im Gespräch mit FOCUS Online.

Die zehn Euro Bußgeld für die Ordnungswidrigkeit seien „im Ergebnis billiger, als die Kosten, die man hätte, wenn der Führerschein auch nur vorläufig entzogen wird – vom Ärger und Aufwand einmal ganz abgesehen“, schreibt Batz.

Ihr Kanzlei-Kollege Daniel Nierenz warnt allerdings vor Autofahrten, sofern die Fahrerlaubnis entzogen wurde: „Wer keine Fahrerlaubnis hat, weil er noch nie eine besaß, diese behördlich oder richterlich eingezogen wurde oder vorläufig durch die Polizei sicher gestellt wurde, macht sich strafbar.“ Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe sind möglich.

Also fahren ihn die Beamten zum Bluttest auf die Wache. Dort zieht die Polizei vorläufig den Führerscheinein – wegen „Verdachts auf Teilnehme am Straßenverkehr unter dem Einfluss betäubender Substanzen“. Das dürfen die Beamten, wenn sie ihren Verdacht „halbwegs logisch begründen können“,schreibt Rechtsanwältin Katharina Batz in dem Blog.

Drei Monate ohne Fahrerlaubnis – trotz Unschuld

Die Folge: Brause darf während des gesamten Ermittlungsverfahrens nicht mehr Autofahren. Und zwar „vollkommen unabhängig davon, ob Willi Brause schuldig oder unschuldig war“, schreibt Batz. Weil eine Blutuntersuchung bis zu zwölf Wochen dauern kann, bekommt Brause seinen Führerschein erst drei Monate später zurück.

Die Blutuntersuchung konnte natürlich keine Drogen nachweisen, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Brause hat also völlig unschuldig drei Monate auf sein Auto verzichtet. Es hätte anders laufen können.

„Die Polizei darf nur das beschlagnahmen, was sie findet und in den Händen hält“, erklärt Katharina Batz. „Hätte Willi Brause seine Pappe nicht dabei gehabt, wäre der Führerschein nicht sichergestellt worden, am nächsten Tag hätte sich Brause wieder vollkommen legal ans Steuer seines Autos setzen können.“ Nur am Tag der Kontrolle hätte die Polizei Brause das Fahren verbieten können.

Juristisches Verfahren verzögert Sicherstellung

Allerdings hätte die Polizei über die Staatsanwaltschaft beantragen können, den Führerschein sicherzustellen. Doch selbst dann könnte Brause seinen Führerschein laut der Anwältin noch wochenlang behalten: Der Zeitpunkt, zu dem die Behörde den Führerschein tatsächlich kassieren kann, lässt sich durch das juristische Prozedere deutlich hinauszögern.

Zieht Herr Brause einen Anwalt heran, sind insgesamt „mindestens drei Wochen verstrichen, in denen Willi Brause ein Fahrzeug hätte führen können“, schreiben die Juristen. Mit etwas Glück liege dann bereits das Ergebnis des Blut-Tests vor, Brause wäre fein raus.

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